Kulturgeschichte

Wie der Mais im 16. Jahrhunder nach Europa gelangte und zu einem wichtigen Nahrungsmittel wurde.

Die Kultivierung von Mais reicht Tausende Jahre in die Vergangenheit zurück. Unbestritten wird er im mexikanischen Hochplateau seit 5000 Jahren angebaut (Gay 1984, 19). Erfassbar ist seine Geschichte jedoch mehr oder weniger erst, seit die Spanier die Neue Welt eroberten. Unbestritten ist heute auch, dass der Mais ein entscheidender Faktor für die Bildung und Entwicklung der Zivilisationen in Amerika war (Gay 1984, 30ff.).

Während der Jahre 1559 bis 1569 beschrieb Bernardino de Sahagún in seinem Lebenswerk “Historia general de las cosas de Nueva España” den Mais und dessen Verwendung. Er schrieb von Leuten, die “weissen, blauen, dunklen, schwarzen, farbigen und gelben Mais” verkauften (de Sahagún 1577, 8. Buch, Kapitel 19) Auch Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdés (1535, 268) beschrieb “Mahiz” in den Farben “morado oscuro” [dunkelviolett], colorado [farbig], (…) blanco [weiss], (…) amarillo [gelb]”.

Mais wurde damals oft zu Tortillas (tlaxcalli) verarbeitet und war DAS Grundnahrungsmittel der Indios. Ausserdem wurden Brotfladen (tascalpachon), Kuchen (uilocpaili), Polenta (“wie Reis gekochter Mais”) und Getränke hergestellt und konsumiert (ebd.).

Laut den Beobachtungen von Gonzalo (1535, 265) wuchsen Maisstängel so dick wie ein Daumen und die Pflanzen standen normalerweise weit höher als ein Mensch gross ist. Jeder Stängel trug mindestens einen Kolben, oft auch zwei oder drei. “Jeder Kolben hatte 200-300 Körner, oder auch 400-500” (ebd.). Die Körner waren umhüllt von drei bis vier Lieschblättern.

Die Indios pflügten das Feld nicht und bekämpften nur zu Beginn der Vegetationsdauer schädliche Tiere wie Papageien, Katzen, Rehe und Wildschweine. Die Feldbestellung bestand aus abholzen und verbrennen, was bei Windstille geschah, damit die Asche nicht weggetragen wurde. Gesät haben die Indios an Neumond, nachdem das Saatgut 1-2 Tage befeuchtet worden war. Grund für die Vorkeimung ist laut Gonzalo (1535, 264) ein schnelleres Keimen und Aufwachsen der jungen Pflanzen. Das Maisfeld wurde danach solange weitgehend unkrautfrei gehalten, bis der Mais die Kräuter überragte. Danach liess man es bleiben (Gonzalo 1535, 264). Abbildung 2 zeigt die Maissaat mithilfe eines Scharrholzes. Die Vegetationsdauer betrug vier Monate. Einige Sorten waren bereits nach drei oder sogar zwei Monaten reif. Von einer Sorte aus Nicaragua weiss der Autor, dass sie nach 40 Tagen reifte, auch wenn diese wenig Ertrag lieferte (Gonzalo, 1535, 267).

Darstellung wichtiger Arbeiten im Oktober: „Achtgeben auf die Saat“ auf dem frisch gesäten Maisfeld der Inkas (Quelle: Poma de Ayala 1615)

Maissaat mithilfe eines Scharrholzes (Quelle: Codex Florentin, abgebildet in Gay, 1984)

Belegt ist, dass im Jahr 1500 in Sevilla Maissaatgut ankam. Die Spanier wollten diese Maissorten in Kultur nehmen (Carraretto 2005). Der damals verwendete Name war Mahiz. Röser (o.D.) und Carraretto (2005) erwähnen einen Bericht von Tabernaemontanus aus dem Jahre 1588, wo von roten, schwarzen, braunen, blauen, weissen, violetten und gelben Maiskörnern die Rede ist. Viele weitere Quellen belegen denselben Sachverhalt (Carraretto 2005, 52). Mais hat den Ozean in verschiedenen Körnerfarben überquert und wurde in Europa in Kultur genommen. Die gesamte Maisvielfalt wurde jedoch nicht linear in Europa eingeführt. In erster Linie konnte sich karibischer und nordamerikanischer Hartmais durchsetzen (Rebourg et al. 2002).

Seit dem 17. Jahrhundert werden die Sorten nachweislich getrennt ausgesät (Röser, o.D.). Seither scheint sich die gelbe und weisse Farbe langsam durchgesetzt zu haben. Schilperoord (2012) zeigt auf, wie farbig die heute noch erhaltenen Schweizer Landmaissorten sind (siehe Abbildung).

Einmal in Europa angekommen, etablierte sich der Mais in einigen Regionen schnell als Grundnahrungsmittel anstelle von Hirse und Sorghum (Carraretto 2005, 27 und 72). Der Maisanbau erreichte rasch grosse Gebiete in Süd- und Mitteleuropa: Er erreichte 1525 Portugal, 1554 Venedig, 1576 das Baskenland, 1616 die Bresse und 1760-1780 das Piemont (Gay 1984, 72). Oft wurde die neue Pflanze als Hirseart identifiziert und sogar vergessen, dass der Mais ursprünglich aus Amerika stammt (Carraretto 2005, 57).

Mehr und mehr wurde der Mais zur Armenspeise der einfachen Bauern (Carraretto 2005, 65). Dies aus dem Grund, weil die Maisernte weder vom Staat noch von der Kirche besteuert wurde. Getreide musste verkauft werden, um die Steuern zu bezahlen, während man den Mais selber ass (ebd.).

Farben- und Kolbenvielfalt von Schweizer Landsorten. D: Domletschg; L: Linthtal; R: Rheintal; S: Sagogn, Vorderrheintal; T: Tessin und V: Wallis (Quelle: Schilperoord 2012)

Laut Paredes López (2009) enthält Mais nur sehr wenig Tryptophan, womit für die menschliche Ernährung höhere Mengen an Niacin nötig werden. Mit einem Kochvorgang in alkalischer Lösung (z.B. zusammen mit Asche) wird das vorhandene Niacin besser löslich und absorbierbar (ebd.). Die Indios kannten eine solche Zubereitung, welche heute Nixtamalisation genannt wird. Leider war diese Zubereitungsart im damaligen Europa nicht bekannt, sodass bei einseitiger Maisernährung ein Niacin-mangel auftrat, der zum Tod führen konnte (Carraretto 2005, 72). Das Krankheitsbild der Mangel-ernährung wird als Pellagra bezeichnet. Als man den Zusammenhang der Krankheit mit der Maisernährung erkannte, wurde der Mais in Europa als giftig deklariert und abgelehnt. Er verschwand daraufhin zu einem grossen Teil als Hauptnahrungsmittel (ebd.). Seither wird Mais in europäisch geprägten Ländern in erster Linie als Tierfutter angebaut. In der Schweizer Küche hat er als Hauptzutat heute noch als Polenta eine gewisse Bedeutung.

Quellen

  • Carraretto M, 2005. Histoires de Maïs ─ d’une divinité amérindienne à ses avatars transgéniques. Comité des travaux historiques et scientifiques (CTHS), Paris, 227 S.
  • Gay J-P, 1984. Fabuleux maïs ─ histoire et avenir d’une plante. AGPM, Pau, 289 S.
  • Gonzalo Fernandez de Oviedo y Valdés, 1535. Del pan de los indios llamado mahiz, é de cómo se siembra y se coge, y otras cosas a esto conçernientes. In: Fernandez de Oviedo y Valdés G (Hrsg.). Historia general y natural de las Indias. Imprenta de la real academia de la historia, Madrid, S. 263-269 Gay J-P, 1984. Fabuleux maïs ─ histoire et avenir d’une plante. AGPM, Pau, 289 S.
  • Paredes López O, Guevara Lara F, Bello Pérez L-A, 2009. La nixtamalización. Ciencias, 92, 60-70.
  • Rebourg C, Chastanet M, Gouesnard B, Welcker C, Dubreuil P, Charcosset A, 2002. Maize introduction into Europe: the history reviewed in the light of moelcular data. Springer-Verlag, Berlin. 27.11.2002, abgerufen am 28.11.2014, http://link.springer.com/article/10.1007/s00122-002-1140-9
  • Röser M, ohne Datum. Die Maispflanze ─ Kulturgeschichte und Entstehung. Institut für Botanik und Botanischen Garten der Universität Wien, abgerufen am 05.10.2013, http://www.landesmuseum.at/pdf_frei_remote/KATOOENF_0061_0181-0188.pdf